Gedanken zum Tag: Der Pianisten-Nachwuchs

Foto: Nachwuchstalent Kyung Chan Bahk (c)

Gibt es noch aufstrebende junge Pianisten, die auch in der Zukunft in der Lage sein werden, mit ihren Interpretationen das Publikum emotional zu erreichen?

Gleich vorweg: Es gibt sie. Obwohl sie zur Mangelware zählen, findet man sie hin und wieder. Leider viel zu selten in den großen Konzertsälen. Denn dort, wo vermeintliche Jungstars die Bühne beherrschen, herrscht leider viel zu selten ein schöner Ton. Deshalb die Frage, die erlaubt sein muss:  Sind für eine große Karriere vorwiegend gute Beziehungen ausschlaggebend?

Ab und zu besuche ich Klavierabende, Bachelor– und Masterprüfungen an den Wiener Musikuniversitäten. Unter den Zuhörern erblicke ich ab und zu honorige Personen aus der Klassikwelt. Letztens erst der Fall gewesen.

Der Herr, ein österreichischer Organist und Dirigent, verfolgte nur das Spiel einer einzigen Pianistin. Danach verließ er das Haus, obwohl noch weitere Jungpianisten gerne ihr Können unter Beweis gestellt hätten. Die Vermutung liegt nahe, dass zwischen der Pianistin und dem Herren ein Naheverhältnis besteht.

Hoffentlich spielen diese Beziehungen – Vitamin-B, wie es so schön heißt – jedoch eine untergeordnete Rolle. Hoffentlich erhalten Jungpianisten, deren Klavierspiel sich auf einem Top-Level bewegt, trotz fehelender Beziehungen ebenso die Chance vor einem größeren Publikum in Erscheinung zu treten.

Dass der große Durchbruch auch von einer großen Portion Glück abhängig scheint, das bestätigen selbst einige große Namen der Szene: Lang Lang sprang für den indisponierten André Watts ein, nutzte seine Chance, und überzeugte das Publikum als auch den Dirigenten Christoph Eschenbach.

Der russische Tastenzauberer Arcadi Volodos erzählt in einem Interview: „Durch Zufall fiel mein Demoband einem Sony-Produzenten in die Finger. An meiner Stelle könnte jetzt also ein ganz anderer sitzen, ein wirklicher Zufall!” Sogar der geniale Vladimir Horowitz meinte, er habe Glück gehabt. Bei solcher Teifstapelei schwingt vermutlich immer ein wenig Koketterie mit.

Zurück zu den Wiener Musikuniversitäten. Hopfen und Malz sind nicht verloren! Jüngst erst konnte ein junger Künstler überzeugen: der Koreaner Kyung-Chan Bahk. Am MUK.podium gab die Nachwuchshoffnung aus der Klasse von Gerhard Geretschläger einen beeindruckenden Konzertabend.

Am Programm standen: Estampes von Claude Debussy, die Ballade in f-Moll op. 52 von Frederic Chopin, und die Klaviersonate in C-Dur op. 2 Nr. 3 von Ludwig van Beethoven.

Mit dem ersten Takt wurde klar, dass nicht die Intonierung des Flügels schuld gewesen sein konnte an den unsauberen, unschönen Tönen seiner Kollegen zuvor. Kyung-Chan Bahks kultivierter Anschlag bildete einen gravierenden Unterschied zu seinen Vorgängern. Auf einer durch den Saal zirkulierenden, idyllischen Klangwolke ließ er den Debussy schweben, edel und andächtig zauberte er mit der Chopin’ sche Ballade ein Lächeln ins Gesicht des Publikums.

Die zwei unterschiedlichen Parts des Beethoven’ schen Allegros brachte er fein nuanciert durch abwechselnd spielerisches Staccato und lyrisches Legato hervorragend zur Geltung. Im andächtigen Adagio brachte er die Zeit zum Stillstand, und er vollendete seine Glanzleistung mit einem spielerisch vorgetragenen Allegro assai.

Eine von Anfang bis Ende fesselnde Darbietung mit perlenden Läufen, farbenfrohen Obertönen und viel Dynamik. Nur mit den Tempi müsse er noch aufpassen, meinte sein Professor. Man kann nur hoffen, dass der Koreaner am Ball bleibt und sich nicht vom Weg abbringen lässt – und, dass er genügend potenzielle Förderer findet.

 

Schreibe einen Kommentar

*