Eine Winterreise, die unter die Haut ging | Klassik begeistert

Bassbariton Florian Boesch
Foto: Bassbariton Florian Boesch © Michael Weiss

Der Winter scheint das Theater an der Wien fest im Griff zu haben. Nach der für viele skandalösen Kušej-Inszenierung von Puccinis „Tosca“, schlugen Florian Boesch und Malcolm Martineau nun leisere Töne an. Schuberts Winterreise in szenischer Fassung traf damit genau ins Schwarze. 

Foto: Florian Boesch © Andreas Weiss

Theater an der Wien, 29. Januar 2022
Franz Schubert, Die Winterreise

Florian Boesch, Bariton
Malcolm Martineau, Klavier
Ingo Kerkhof, Szenische Einrichtung
Franz Tscheck / Frank Storm, Licht

Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus. Wer kennt sie nicht, die eröffnenden Worte, mit denen der verzweifelte Wanderer sich auf die beschwerliche Winterreise begibt. Eine nicht enden wollende, über Höhen und Tiefen führende Odyssee, die der Dichter Wilhelm Müller 1824 schrieb. Berühmtheit erlangten die 24 Gedichte aber erst, als sein Zeitgenosse Franz Schubert diese Rohdiamanten 1827 vertonte und damit ein Vermächtnis erschuf, über das sich jeder seriöse Liedsänger wagen muss. Der Bassbariton Florian Boesch erforscht sie nun seit mehr als zwei Jahrzehnten.

(mehr …)

Ein letzter Landgang vor dem nächsten Lockdown: „Der fliegende Holländer” in Wien

Bühnenbild "Der Fliegende Holländer" Wiener Staatsoper
Foto: Fliegender Holländer c Pöhn Michael

Foto: Bühnenbild von „Der fliegende Holländer” in der Inszenierung von Christine Mielitz © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 21. November 2021
Richard Wagner, Der fliegende Holländer

von Jürgen Pathy / Klassikpunk

Feste soll man feiern, wie sie fallen. Ein Sprichwort, das im Volksmund bekannt ist – also: ab in die Wiener Staatsoper. Immerhin sollte es der letzte Tag sein, bevor das prächtige Opernhaus, das an der Wiener Ringstraße prangt, mal wieder geschlossen wird. Lockdown Nummer vier, der tags darauf in Kraft treten sollte, stand Sonntagabend vor der Tür. Der Grund: die sogenannte „vierte Welle”. Bevor, die uns alle überrollen wird, hat sie den „Fliegenden Holländer” am bedeutendsten Opernhaus der Welt noch einmal an Land gespült. (mehr …)

In Neapel lässt man die drei Tenöre wieder hochleben

Caruso Gala im Teatro San Carlo in Napoli
Foto: (v.l.n.r) Francesco Demuro, Xabier Anduaga, Francesco Meli, Marco Armiliato © Jürgen Pathy

Foto: (v.l.n.r) Francesco Demuro, Xabier Anduaga, Francesco Meli, Marco Armiliato © Jürgen Pathy

Teatro San Carlo, Neapel, 19. September 2021
Enrico-Caruso-Gala

Francesco Meli, Tenor
Francesco Demuro, Tenor
Xabier Anduaga, Tenor
Orchestra del Teatro di San Carlo

von Jürgen Pathy (Text und Foto)

Authentischer geht es nicht. „’O sole mio“ in einem italienischen Opernhaus, geleitet von einem Italiener, begleitet von einem italienischen Orchester. Beinahe auch noch von drei italienischen Tenören gesungen. Um das zu erleben, bleibt einem nur die Reise nach „Bella Italia“, wo nicht nur das „Dolce vita“ ruft, sondern auch die Heimat des Belcantos, des italienischen Schöngesangs. Neapel bietet das alles. (mehr …)

Salzburger Festspiele: Mühlemann tritt aus dem Schatten der großen Bartoli | Klassik begeistert

Bartoli und Mühlemann bei den Salzburger Festspielen 2021
Foto: Foto: Regula Mühlemann und Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen © Monika Rittershaus

Foto: © Monika Rittershaus

Salzburger Festspiele, Haus für Mozart, 14. August 2021
Il trionfo del Tempo e del Disinganno, Georg Friedrich Händel

Robert Carsen kehrt mit Händels Oratorium zurück nach Salzburg. Bereits bei den Pfingstfestspielen 2021 unter Prinzipalin Cecilia Bartoli aufgeführt, läuft „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ nun auch im Sommer.

von Jürgen Pathy

Salzburg aus dem Häuschen. Nachdem der letzte Ton erloschen ist, steppt im Haus für Mozart der Bär. Selbst in der Festspielstadt, wo höchste Qualität an der Tagesordnung steht, erlebt man das nicht alle Tage. Dabei war es nicht einmal Teodor Currentzis, der die Fäden im Graben gezogen hat, sondern Gianluca Capuano. Von den Salzburger Pfingstfestspielen 2021 übernommen, hat der Mailänder Händels Oratorium mit dem unaussprechlichen Titel geleitet: „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“. Zu Deutsch: Der Triumph der Zeit und der Erkenntnis. Oder verkürzt einfach nur: Ent-Täuschung. (mehr …)

Schwipp schwapp: Malkurs trifft auf Walküre

Schüttaktion von Hermann Nitsch während der Premiere von Die Walküre in Bayreuth
Foto: Hermann Nitsch lies es während der Walküre ordentlich "krachen" c Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Foto: Hermann Nitsch lies es während der Walküre ordentlich „krachen” © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Premiere Bayreuther Festspiele: Eine konzertante „Walküre“, umschüttet mit Farbe von Aktionskünstler Hermann Nitsch

Von Barbara Angerer-Winterstetter

Einen Bayreuther „Ring“ gibt es Corona-bedingt erst 2022 wieder. Die Auseinandersetzung damit schon jetzt. In Form von Auftragswerken, die alle „Ring“-Teile spiegeln sollen. Im Zentrum: Die „Walküre“, die es als einziger Teil der Tetralogie ins Festspielhaus geschafft hat. Soweit, so lobenswert. Denn Neues wagen war noch nie falsch. Und zudem im Sinne des Schöpfers. (mehr …)

Goernes samtweicher Gruß an die ferne Geliebte | Klassik begeistert

Matthias Goerne
Foto: Matthias Goerne © Marie Staggat

Foto: Matthias Goerne © Marie Staggat

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 26. Juli 2021
Matthias Goerne, Bariton
Alexander Schmalcz, Klavier

Höhen und Tiefen. Obwohl er große Teile des Beethoven-Liederabends enorm einfühlsam interpretiert hat, war nicht alles feinste Sahne, was Matthias Goerne gestern Abend im Wiener Konzerthaus geboten hat. Vor allem zu Beginn des Abends, an dem sich Goerne und der Pianist Alexander Schmalcz weniger populären Stücken widmeten. Da griff Goerne einige Male daneben, wie man so schön sagt. Erst ab den sechs Liedern nach Gellert konnte Goerne, der zu den besten Liedsängern seiner Generation zählt, seinem Ruf gerecht werden.

(mehr …)

Lohengrin an der Wiener Staatsoper: Cornelius Meister treibt Klaus Florian Vogt in göttliche Sphären

Foto: Klaus Florian Vogt als Lohengrin an der Wiener Staatsoper © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 19. Juni 2021
Lohengrin, Richard Wagner

Besser spät, als nie! Genauso wie diese Kritik zündet der Lohengrin-Dampfer an der Wiener Staatsoper etwas verspätet. Waren das Vorspiel und Teile des 1. Akts noch von Nervosität und Unsicherheit geprägt, brennt „das erste Haus am Ring” ab dem 2. Akt so richtig. Dafür verantwortlich: Cornelius Meister, der Andreas Homokis Bauernstubeninszenierung in einen wahren Hexenkessel verwandelt. An der Wiener Staatsoper leitet der gebürtige Deutsche die aktuelle Lohengrin-Serie. So viel Wagner roh, so viel Dramatik hat man seit Ádám Fischers Götterdämmerung im April 2018 nicht mehr erlebt. Der ließ es damals genauso gewaltig krachen. Wenn dann neben der enormen Dezibel-Beschallung, die jedoch niemals zu Lasten der Sänger fällt, der Spannungsbogen bis zum Ende hält, schießt das Wagner’sche Narkotikum mit voller Wucht in die Venen. Klangrausch pur! (mehr …)