Jonas Kaufmann
Foto: Jonas Kaufmann © Gregor Hohenberg

Beethoven im Fokus des 64. Gstaad Menuhin Festival

Basel, Grand Hotel Les Trois Rois, 13. Februar 2020
Pressekonferenz des Gstaad Menuhin Festival

von Jürgen Pathy / Klassikpunk

Der Sommer kann kommen. Im Basler Grand Hotel Les Trois Rois, direkt am Rhein gelegen, präsentiert Intendant Christoph Müller das Programm des 64. Gstaad Menuhin Festivals – und das kann sich sehen lassen! Beinahe alles, was Rang und Namen hat, wird vom 17. Juli bis 6. September 2020 in Gstaad und Umgebung zu Gast sein: Von Startenor Jonas Kaufmann, Patricia Kopatchinskaja, Philippe Jaroussky, über Sol Gabetta und Sir András Schiff, bis hin zu Antonio Pappano, wird sich das Who-is-Who der Klassik-Welt in der Idylle der Schweizer Berge einfinden.

Letztes Jahr noch unter dem Motto „Paris“, steht die diesjährige Ausgabe ganz im Zeichen von „Wien“. Kein Wunder. In diesem Jahr wird weltweit der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven gefeiert. Dort, in der Musikhauptstadt, in der Stadt des Walzers, in der selbst Taxifahrer wissen, was abends in der Staatsoper gespielt wird, war nicht nur die Wirkungsstätte von Haydn, Mozart und Schubert, hier lebte und komponierte auch Ludwig van Beethoven. Anlässlich dieses Jubiläums widmet das Gstaad Menuhin Festival mehr als zwanzig der insgesamt 76 Konzerte vollständig oder zum Teil dem deutschen Komponisten.

Dabei wird ein breites Spektrum abgedeckt. Egal ob Sinfonie, Klaviermusik oder Kammermusik, für alle sollte etwas dabei sein. Sir András Schiff spielt Beethovens letzte drei Klaviersonaten; Mitsuko Uchida, die ihren Einstand beim Festival feiern wird, unter anderem die Diabelli Variationen; unter der Leitung von René Jacobs spielt das Freiburger Barockorchester mit der „Missa Solemnis“, eine der bedeutendsten Messen der Kunstmusik. Das Hagen Quartett spielt Beethovens letzte zwei Streichquartette. Und unter der Leitung großer Dirigenten, wie dem Russen Vasily Petrenko und Antonio Pappano, werden nicht nur die Symphonie Nr. 5 und Nr. 7 gespielt, sondern auch das seltener aufgeführte Triplekonzert für Klavier, Violine und Violoncello.

„Fidelio“ mit Jonas Kaufmann

Das absolute Highlight dürfte jedoch eine konzertante Aufführung von „Fidelio“ sein, der einzigen Oper von Ludwig van Beethoven. Als Schauplatz dient das Festival-Zelt Gstaad, in dem bis zu 2000 Zuschauer Platz finden. Mit dabei sein werden Startenor Jonas Kaufmann, Anja Kampe und Bariton Falk Struckmann, der erst kürzlich in der Wiener Staatsoper für seine sensationelle Darbietung des Kerkermeisters Rocco von Publikum und Kritik gefeiert wurde. Dirigieren wird Jaap van Zweeden, dem mit dem Gstaad Festival Orchestra ein aufstrebender Klangkörper zur Verfügung steht.

Kostprobe des Gstaad Festival Orchestra

Eine Kostprobe ihres Könnens, konnten die jungen Musiker, deren Altersdurchschnitt die 25 nicht überschreiten dürfte, abends in der Basler Martinskirche abliefern. Passend zum Beinamen der Dvorak‘ schen 9. Sinfonie, die am Programm gestanden hat – aus der neuen Welt – entführten sie unter der Leitung des Österreichers Manfred Honeck in einen völlig ungewöhnlichen Klangkosmos. Mit ihren Holzvertäfelungen bieten die evangelisch-reformierten Kirchen eine eigene, ungewöhnliche Akustik. „Wie im Bauch eines Cellos“ beschrieb einst Yehudi Menuhin den besonderen Klang, den zum Beispiel die Kirche in Saanen zu bieten hat. Die Martinskirche in Basel ist zwar um einiges größer – keine Frage –, hat ein mächtigeres Raumvolumen, dennoch ist die Akustik mit der aus den Kirchen im Saanenland zu vergleichen. Dort werden im Sommer viele der Konzerte stattfinden.

Kirche Saanen
Foto: Kirche Saanen

Dvoraks Neunter vorausgegangen war Beethovens 5. Klavierkonzert. Als Solist spielte Seong-Jin Cho, 25, der seit seinem Erfolg beim renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerb 2015 um die Welt tourt und einen Exklusivvertrag der Deutschen Grammophon in der Tasche hat. Mit viel dolce wolle er den zweiten Satz des Emperor Concertos, wie das 5. Klavierkonzert bezeichnet wird, spielen. Immerhin habe Beethoven das ausführlich so notiert, erzählt er bei der Pressekonferenz. Das Dolce, das Süße, das lassen Seong-Jin Cho und das Orchester jedoch nicht im Adagio, sondern im Allegro, im ersten Satz erklingen – perlende Läufe inklusive. Den zweiten Satz gestaltet Manfred Honeck, dessen Dirigierstil von minimalistischer Natur und von optischer Eleganz geprägt ist, im Sinne der Wiener Klassik. Für überbordende Romantik, für langgezogene Legati bietet das wenig Raum. Ohne überromantisierender Schwelgerei und zügig zieht er durch dieses romantische Adagio und lässt das Orchester im Abschlusssatz, einem Rondo, mit dem verkürzten Hauptthema einen triumphalen Schlusspunkt setzen.

Seong-Jin Cho wird auch im Sommer sein Können unter Beweis stellen dürfen. Unter der Leitung des niederländischen Dirigenten Jaap van Zweden, der bereits das dritte Jahr beim Gstaad Menuhin Festival dabei sein wird, steht Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 auf dem Programm. Ein virtuoses Stück, voller Sehnsucht, Melancholie und unendlicher Weite, das einem Pianisten sowohl technisch als auch musikalisch alles abverlangt.

Seong-Jin Cho
Foto: Seong-Jin Cho © Harald Hoffmann

Hochkarätige Recitals, Sinfoniekonzerte und eine Uraufführung

Weitere Termine, die man sich rot im Kalender anstreichen sollte, sind: Gabriela Montero, Geiger Daniel Hope, Cellistin Sol Gabetta, Pianistin Yuja Wang und Klarinettist Andreas Ottensamer. Sollten diese Namen, die für Qualität und musikalischen Hochgenuss bürgen, nicht ausreichen, um die Lust auf eine Reise in die Schweizer Berge zu wecken, dann steht noch ein seltener Leckerbissen auf dem Programm. Am 21. August besteht die Möglichkeit, bei einer Uraufführung live dabei sein zu können. Mit einem Auftragswerk des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas wird das Kammerorchester Basel einen völlig neuen Blick auf Beethoven werfen. Unter der Leitung von Sylvain Cambreling präsentieren das Schweizer Orchester und die Solisten Renaud Capuçon und Lorelei Dowling ein Doppelkonzert für Violine und Kontraforte (ein von Benedikt Eppelsheim und Guntram Wolf neu konzipiertes Kontrafagott), das den humorvollen Titel «Was mir Beethoven erzählt» trägt.

Um all das zu realisieren, hat das Festival keine Kosten und Mühen gescheut. Mit einem Budget von rund 7 Millionen Schweizer Franken ist das Gstaad Menuhin Festival gut aufgestellt. 3 Millionen kommen von Sponsoren, wie der Privatbank Edmond de Rothschild. Nur 15 % des Budgets wird staatlich subventioniert.

Schreibe einen Kommentar

*