Alles hat ein Ende. Zumindest für dieses Jahr. Das Resümee der 63. Ausgabe des Schweizer Musikfestivals, das vom 18. Juli bis zum 6. September 2019 ganz im Zeichen der französischen Hauptstadt „Paris“ gestanden hat, kann sich sehen lassen.
Mit einem gewieften Konzept hat Christoph Müller, der die Intendanz 2002 übernommen hat, das einst dahin dümpelnde Festival von den Zuschauerzahlen als auch finanziell wieder international konkurrenzfähig gemacht. Während der sieben Wochen strömten insgesamt 25800 Besucher in das Festival-Zelt Gstaad und in die Kirchen der malerischen Region des Saanenlands, um fast 70 Konzerte und fünf hochkarätige Meisterkurse zu erleben. Für jeden war etwas dabei!
Von Kopatchinskaja bis Klaus Florian Vogt
Beginnend mit dem erkenntnisreichen Eröffnungskonzert von Patricia Kopatchinskaja & Polina Leschenko, über viele Kammermusikabende und Orchesterkonzerte, bis hin zu großen Namen wie Klaus Florian Vogt, Cecilia Bartoli, András Schiff, Hilary Hahn, Khatia Buniatishvili und Sol Gabetta – in Gstaad reichen sich die Stars der Szene die Klinke in die Hand.

Außerdem nicht zu vergessen: die musikalischen Angebote für Kinder und ihre Familien sowie für Amateure. Und natürlich die Gstaad Conducting Academy, bei der seit 2015 vielversprechende junge Dirigenten unter den Fittichen profilierter Dirigenten Erfahrungen sammeln dürfen – dieses Jahr unter der Obhut eines ganz Großen! Neben Johannes Schlaefli stand den Nachwuchshoffnungen mit Manfred Honeck einer der profiliertesten Dirigenten unserer Zeit Rede und Antwort.
Zu den weiteren Höhepunkten der 63. Ausgabe des Gstaad Menuhin Festivals zählten vor allem die vier Konzerte des «Artist in Residence» Bertrand Chamayou, sowie die zahlreichen Abende, die der französischen Musik gewidmet waren. Für viel Pariser Flair sorgten Olivier Latry, der Organist von Notre Dame, der französische Cembalist Christophe Rousset, der gefeierte Star-Cellist Gautier Capuçon, das Orchestre National de Lyon sowie das Orchestre philharmonique de Radio France.

Südamerikanische Leidenschaft: Sol Gabetta
Keine Französin und auch keine Schweizerin, aber seit Jahren eng mit dem Festival verbunden, ist die Cellistin Sol Gabetta. Ihr Feuer, ihre Intensität und ihre ungeheure Strahlkraft konnte die sympathische Argentinierin an fünf Abenden zur Schau stellen. Unter anderem mit dem erlesenen 2. Cellokonzert von Camille Saint-Saëns in der Mauritiuskirche in Saanen, die mit ihren Fresken aus dem 15. Jahrhundert und den Holzvertäfelungen nicht nur optisch einer Wohlfühl-Oase gleicht. Wundergeiger Yehudi Menuhin, der das Festival 1957 gründete, umschrieb die Akustik des bis zu 800 Besucher fassenden Gotteshauses einst völlig zutreffend „wie im Bauch eines Cellos“.
Damit nicht nur die Klassikfans auf ihre Rechnung kamen, wurde auch für Genre übergreifende Vielfalt und musikalische Abwechslung gesorgt. Ute Lemper bot Chansons von Edith Piaf und Jacques Brel, der Londoner Chor Tenebrae polyphone A-cappella-Klänge, und das Orchestre national de Lyon unter der Leitung von Gergely Madaras überraschte mit der Welturaufführung einer Komposition von Tristain Murail.
Gstaad Menuhin Festival 2019: Ein Abschlusskonzert der Superlative!
Was gab’s noch außer etwaigen Sprachbarrieren zwischen Österreichern und Schweizern – bestellen sie niemals eine „Semmel“–, dem Duft frisch gemähter Wiesen und gut betuchten Chalet-Besitzern, die ihr idyllisches Feriendomizil komfortabel via angrenzendem Privatflugplatz Saanen anpeilen können? Ein Abschlusskonzert der Superlative!

Unter der Leitung des Dirigenten Myung-Whun Chung präsentierte die Staatskapelle Dresden Brahms schwärmerische Sinfonie Nr.2 und Rachmaninows atemberaubendes Klavierkonzert Nr. 3. Als Solistin am Klavier ein rasender Wirbelwind, der „seine stählernen Finger so nervös wie wohlig, so technisch zupackend wie sensitiv streichelnd ausbreiten kann.“ So umschreibt Manuel Brug, die optisch regelrecht für Aufruhr sorgende chinesische Tastenvirtuosin Yuja Wang, die seit ihrem 2009 unterzeichneten Vertrag mit der Deutschen Grammophon aus der Klassikwelt nicht mehr wegzudenken ist.
Gstaad Mehuhin Festival 2020: Wien. Musikstadt von Weltruhm.
Ebenso wie das Gstaad Menuhin Festival, das bereits das Motto der nächstjährigen Ausgabe ausgerufen hat. Das 64. Gstaad Menuhin Festival & Academy blickt vom 17. Juli bis 6. September 2020 musikalisch nach Wien.

Die Welthauptstadt der Walzer-Seligkeit war musikalische Hochburg für Komponisten wie Haydn, Mahler oder Schubert – und natürlich für Jubilar Ludwig van Beethoven, dem 2020 anlässlich seines 250. Geburtstages vermutlich der Focus gelten wird. Ob dessen Freiheitsoper „Fidelio“ in konzertanter Form mit Jonas Kaufmann aufgeführt wird, wie manche munkeln, oder ob sich vielleicht sogar die Wiener Philharmoniker im Saanenland verewigen werden, wer weiß das schon. Das offizielle Konzertprogramm 2020 des 64. Gstaad Menuhin Festivals wird ab dem 13. Dezember 2019 online verfügbar sein. Dann werden wir alle schlauer sein.