Werner Krauß liest das Heiligenstädter Testament
Das Heiligenstädter Testament
Das Heiligenstädter Testament ist ein resignativer Monolog, den Ludwig van Beethoven am 6. und 10. Oktober 1802 verfasst hatte. Darin verkündet der erst 31- jährige Beethoven, der von seinem fortschreitenden Gehörverlust geplagt wurde, dass er entschlossen war, seinem Leben ein Ende zu setzen. „Nur die Kunst“, wie er schrieb, „sie hielt mich zurück“.
Verfasst hat Beethoven diesen Brief, der an seine beiden Brüder Kaspar Karl und Nikolaus Johann adressiert wurde, in einem Haus außerhalb von Heiligenstadt – damals noch ein Wiener Vorort. Von Mai bis Oktober 1802 bewohnte Beethoven dieses freistehende Bauernhaus in der Herrengasse 6 (Heute: Probusgasse 6)
Das Heiligenstädter Testament offenbart die Verzweiflung eines Genies, das schwer damit zu kämpfen hatte, dass seine Umwelt ihn für „störrisch oder misantropisch“ erklärte. Dabei wüssten sie nicht, schrieb Beethoven, wie „Unrecht“ sie ihm taten: „Ihr wißt nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet“. Sein Herz und sein Sinn wären von Kindheit an nämlich „für das zarte Gefühl des Wohlwollens“ bestimmt gewesen. Aber, so Beethoven weiter: „Bedenkt nur, daß seit 6 Jahren ein heilloser Zustand mich befallen.“
Beethovens letzte Hoffnung – eine Heilquelle soll Abhilfe schaffen
Um diesem „heillosen Zustand“, wie er seine fortschreitende Taubheit umschrieb, irgendwie zu entfliehen, sucht Beethoven auf Anraten seines Arztes Johann Adam Schmidt eine mineralhaltige Quelle der Badeanstalt in Heiligenstadt auf. Das Haus in der Probusgasse 6, in dem er damals wohnte, ist heute ein Beethoven-Museum.
Doch nichts schien zu helfen. Keine Schulmedizin, keine alternativen Heilmethoden. Also sah er nur mehr einen Ausweg: den Freitod. Wer mag es ihm da noch verübeln? Als Klaviervirtuose über die Grenzen hinaus gefeiert, als Komponist auf dem besten Wege dorthin, schien seine Laufbahn als Musiker ein abruptes Ende zu finden.
Dabei hatte doch alles erst so richtig begonnen. Wir schreiben das Jahr 1802. Beethoven hatte gerade die ersten Skizzen seiner revolutionären „Eroica“, der dritten Symphonie, zu Blatt gebracht. Zwanzig seiner insgesamt 32 Klaviersonaten waren bereits unter Dach und Fach gewesen – darunter so bedeutende Werke wie die „Pathetique“, die „Mondscheinsonate“ und „Der Sturm“. Später einmal wird der deutsche Klaviervirtuose, Dirigent und Komponist Hans von Bülow sogar vom „Neuen Testament der Klavierliteratur“ sprechen, wenn er von Beethovens 32 Klaviersonaten schwärmt. In der Wiener Gesellschaft scheint Beethoven ebenfalls gut integriert. In Fürst Lichnowsky, der als Freimaurer derselben Loge angehörte wie Mozart, hatte Beethoven nicht nur einen Freund gefunden, sondern auch einen Förderer und Financier.
„Welche Demütigung wenn jemand neben mir stund und von weitem eine Flöte hörte und ich nichts hörte oder jemand den Hirten singen hörte, und ich auch nichts hörte: solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung, es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück.“
(Aus dem Heiligenstädter Testament, Ludwig van Beethoven)
Sollte sich all das nun wirklich dem Ende neigen? Denn ein Pianist, Klavierlehrer und Komponist, der dabei war, sein Gehör zu verlieren – sollte diese Information jemals an die Öffentlichkeit gelangen, seine ganze Existenz wäre womöglich gefährdet gewesen. Deshalb wandte sich Beethoven an alle, die davon wussten und bat um Diskretion. Erfolgreich. Zumindest so lange, bis der Gehörverlust nicht mehr zu verbergen war. Das „Heiligenstädter Testament“ blieb sogar länger verborgen. Bereits gefaltet und versiegelt, gelang es erst nach Beethovens Tod an die Öffentlichkeit – in Folge eines Nachlasses wurde der Brief 1827 gefunden.
Heiligenstädter Testament: das Original-Schriftstück
Das Original befindet sich heute als Schenkung der schwedischen Sängerin Jenny Lind seit 1888 in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.
Violinsonate Nr. 7 in c-Moll (1802)
Ein wenig Musik aus dieser Zeit. Die Schaffensphase der c-Moll Violinsonate dürfte höchstwahrscheinlich in die Zeit des Heiligenstädter Testaments fallen. Um 1802 wurde diese Violinsonate, die mittlere von insgesamt drei, mit der Opuszahl 30 herausgegeben.
Das Adagio cantabile dieser Sonate spiegelt meines Erachtens Beethovens Gemütslage sehr gut wider. In As-Dur gehalten, laut Hermann Beckh eine „dunkle“ Tonart, eröffnet das Klavier – völlig traumverloren schwebt die Melodie dahin. Nach einigen Takten gesellt sich die Geige hinzu. Wehmütig. Gemeinsam verlieren sie sich in der Hoffnungslosigkeit, gegen die sich beide zwar widersetzen, letztendlich jedoch resignierend nachgeben müssen. In Beethovens Realität spiegelt sich das Ende zum Glück nicht. Er hat sich widersetzt. Dennoch scheint es, als hätte er seinen Kampf in diesem Adagio aufs Notenblatt gebracht.
Das Testament Beethovens ist eine Gabe an unsere gesamte Spezies. Sogar in manchen Ställen ertönen seine Melodien und verwöhnen Elfriede, Susie und Ko.
Das es unserem ewigen Star so schlecht ging dass er sich mit Selbstmordgedanken trug war mir nicht bekannt.
LG
Stef