North Sea String Quartett
Foto: © Federico Castelli

Auf eine Jamsession mit Beethoven: „Splunge“, das neue Album des North Sea String Quartett

  • Beitrags-Kategorie:CD & Album Reviews
  • Beitrag zuletzt geändert am:20. August 2024

Ein Sound, der einerseits seine Wurzeln im Jazz hat. Gleichzeitig auf ein Déjà-vu mit Beethoven einlädt, dabei aber die Grenzen der harmonischen Vorstellungskraft sprengt. Mit „Splunge“, einem Erstlingswerk, hat das North Sea String Quartett einiges gewagt. Das Resultat: Eine musikalische Reise außerhalb der Normen, wo Yankee-Fiedler auf Jazz Rock treffen, die Bahnen der Klassik aber nie zur Gänze verlassen.

von Jürgen Pathy

Seit 2016 bilden die vier Männer aus Rotterdam ein Streichquartett, das gewohnte Harmonien und Melodien neu auslotet. Bislang hatte das North Sea String Quartett auf Altbewährtes gesetzt. Am 25. Juni 2024 aber eine CD veröffentlicht, auf der das „Jazz-Quartett“ auf eigene Kompositionen baut. Das Ergebnis ist eine unheimlich abwechslungsreiche Einspielung, bei der kein Ei dem anderen gleicht.

Fusion meets Klassik

Südstaaten-Fiedler, angelehnt irgendwo beim Yankee-Doodle, finden ebenso ihren Weg auf dieses Album, wie Einflüsse aus der World Music, dem Modern Jazz als auch der modernen Klassik. „Splunge in“, Track No. 2, eine freie Improvisation, schlägt gewagt eine Kurve zu „On the Corner“. Einer Liveaufnahme, mit der Miles Davis 1972 seine Spuren im Jazz Rock hinterlassen hatte. Rhythmus, Sound der Geigen, alles ein Destillat der Grooving 70’s, in die es einen beim Hören zurückkatapultiert.

Bei „Crytpoclash“, Track No. 4, klingt dann alles erstmal genauso wie der Titel es verspricht: Kryptisch, unbekannt, könnte man es nennen. Ohne Bereitschaft neues Entdecken zu wollen, sicherlich eine Herausforderung, für Entdecker aber ein spannendes Abenteuer.

Ein Hauch gewohnter Harmonien

Wer nun meint, bekannte Harmonien würde das Quartett überhaupt nicht bedienen, hat sich allerdings getäuscht. Nicht erst bei „Last Ferry“, Track No. 11, kehrt Ruhe ein. Ein Werk, atmosphärisch angelehnt an Beethoven, der in seinen späten Streichquartetten ähnliche Stilmittel aufgegriffen hatte. Schon „One Night Music Stand“, Track No. 6, holt den Zuhörer zurück ins Gefilde der klassischen Musik. Getränkt von Melancholie, treibt man ein Spiel zwischen Atonalität und Tonalität. Einen Versuch, Beethoven und Glass auf einen Nenner zu bringen, der eindrucksvoll gelingt.

„Splunge out“, entführt dann wieder ins Experimentelle, während „WTTT: Part III und IV“ einen friedlichen Abschluss findet, den man auf afrikanischen Buschtrommeln einläutet.

Wer also wissen möchte, wie es geklungen hätte, wenn drei Legenden zu einer Jamsession laden – Miles Davis, Philip Glass und Beethoven –, der sollte sich „Splunge“, das neue Album des North Sea String Quartett, nicht entgehen lassen. Gewürzt mit einer gehörigen Portion eigener Ideen, ein experimentelles Hörerlebnis mit Staunfaktor.

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