Jonas Kaufmann als Siegmund
Foto: Jonas Kaufmann als Siegmund an der Bayerischen Staatsoper (c) Wilfried Hösls

Tobender Applaus für die Walküre an der Bayerischen Staatsoper

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Foto: Jonas Kaufmann als Siegmund in der Bayerischen Staatsoper © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper, 13. Mai 2021 (Live-Stream)
Richard Wagner, Die Walküre (1. Akt)

Jonas Kaufmann, Siegmund
Lise Davidsen, Sieglinde
Georg Zeppenfeld, Hunding
Asher Fish, Musikalische Leitung
Bayerisches Staatsorchester

von Jürgen Pathy / Klassikpunk

Ein fast schon historischer Moment. So beschrieb Nikolaus Bachler, der Intendant der Bayerischen Staatsoper, den gestrigen Abend. Der Grund: Nach einer gefühlten Ewigkeit durfte in München wieder vor Live-Publikum in Saal gespielt werden. Der Lockdown nimmt fürs Erste ein Ende. Aber nicht nur deswegen geriet Bachler ins Schwärmen.

Nachdem er kurz vor der Aufführung die Bühne betreten hatte, um diesen Moment zu würdigen, hob er auch die Besetzung explizit hervor: Mit Startenor Jonas Kaufmann, der jungen Sopranistin Lise Davidsen und Edelbass Georg Zeppenfeld habe man die größten Sänger engagiert, die zurzeit zur Verfügung stehen. Am Programm: der erste Akt von „Die Waküre” – in einer konzertanten Fassung. Kein Zufall. Dass dieses Werk gewählt wurde, so Bachler, liegt daran, dass es stark mit der DNA des Hauses verbunden sei. Am 26. Juni 1870 fand hier, im Nationaltheater München, die Uraufführung statt.

Bachler sollte nicht in allem Recht behalten. Chronologisch war es natürlich ein fast schon historischer Moment, musikalisch allerdings nicht ganz. Obwohl die Vorstellung wirklich unter der Kategorie sehr gut einzuordnen ist, fehlte ein wenig, um sie künstlerisch als historisch einzuordnen. Nirgendwo viel, aber doch ein „Euzerl”, wie es in Österreich heißt.

Das Bayerische Staatsorchester, das unter Asher Fish weitgehend in guten Händen war, bot Wagner von großer Klasse. Zupackend und rasant das Vorspiel, emotional tiefgehend untermalt das erste Aufeinandertreffen Siegmunds und Sieglindes. Besonders hervorzuheben das Cello-Solo, dass die drei Leitmotive (Siegmund-Geschwisterliebe-Liebe) derart ergreifend und energiegeladen zelebrierte, wie man es nur selten zu hören bekommt. Dennoch: vereinzelt waren aus dem Orchester Unsauberkeiten zu vernehmen, zum Schluss hin konnte der Spannungsbogen nicht ganz gehalten werden.

Kaufmann als Siegmund

Keine Spur von Unsicherheit hingegen bei Georg Zeppenfeld. Als Hunding warf der Edelbass, der diese Partie auch schon in Bayreuth gesungen hat, alles ins Spiel, worauf er zurückgreifen kann. Bombensicher wie immer, klare Textverständlichkeit und ein Timbre, das unverkennbar ist. Einziges Manko, wenn man das so bezeichnen möchte: Trotz martialischer Grimassen, aufgrund seiner schlanken Statur und der fehlenden Dunkelheit der Stimme, ist Zeppenfeld keine Idealbesetzung für den Hunding.

Ganz anders wiederum Jonas Kaufmann, 51. Der bayerische Startenor, immer wieder Mittelpunkt harscher Diskussionen, beweist vor allem, dass er das Repertoire zurzeit klug wählt. Neben dem Parsifal, den er vor kurzem erst an der Wiener Staatsoper gesungen hat, liegt auch die Tessitura des Siegmunds genau in seinen Möglichkeiten. Zudem weiß Kaufmann die Partie klug und vorausschauend zu gestalten. Der Anfang zögerlich, lyrisch, genauso entspannt, wie er zuvor die Bühne betreten hatte. Auch wenn er gelegentlich Mühe hatte, um den Registerwechsel sauber zu vollziehen – vor allem in den leisen Stellen –, die Wälse-Rufe sitzen, der Ausdruck passt.

Frisch und ausgeruht zeigte Kaufmann, warum er dort steht, wo er heute eben ist. In dieser Verfassung ist Kaufmann auf jeden Fall ein Gewinn. Bleibt nur zu hoffen, dass er von der coronabedingten Zwangspause etwas mitnehmen kann: Weniger, ist oft mehr.

Lise Davidsen
Foto: Lise Davidsen empfängt tobenden Applaus, nach der Zugabe an der Bayerischen Staatsoper (c) Wilfried Hösl

Ein Sopran, der viel erwarten lässt

Von solchen Überlegungen einstweilen noch verschont, ist Lise Davidsen, 34. Die junge Norwegerin, die nicht nur aufgrund ihrer Herkunft mit Kirsten Flagstad oder der Schwedin Birgit Nilsson verglichen wird, verfügt über eine Stimme, die einer hochdramatischen Naturgewalt gleicht. Ein unerschütterliches Organ, das angetrieben wird von ungeheuren Kräften. Dabei ist sie auch noch in der Lage zu gestalten und die volle Bandbreite an Farben zu generieren, wie sie als Sieglinde beweist. Bei ihr bleibt nur zu hoffen, dass sie ihre Stimme im schweren Wagner– und Straussfach nicht zu früh verheizt. Dann wird man noch viele große Momente erleben.

Nachdem alle drei noch als Zugabe jeweils eine Kostprobe mit Asher Fish am Klavier bieten durften, tobte das Haus.

 

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