Kirche Saanen ist eine der Spielstätten in Gstaad
Foto: Die Kirche Saanen ist eine der Spielstätten in Gstaad © Gstaad Menuhin Festival

Musik als Spiegel der Migration – Gstaad Menuhin Festival 2025

Nach 24 Jahren ist Schluss. 2026 übergibt Intendant Christoph Müller die Agenden des Gstaad Menuhin Festival an Daniel Hope. Für 2025 setzt Müller aber nochmals ein starkes Zeichen: Nach „Demut“ (2023) und „Transformation“ (2024) steht die 69. Ausgabe des traditionsreichen Festivals unter dem Motto „Migration“ (18. Juli – 6. September 2025).

Besonderer Fokus liegt auf Dmitri Schostakowitsch, dessen 50. Todestag 2025 begangen wird. Sein Schaffen steht exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen politischer Repression und künstlerischem Ausdruck.

Fazil Say
Foto: Fazil Say © Marco Borggreve

Als Artist in Residence wird der türkische Pianist Fazil Say das Festival prägen. Sowohl seine Biografie als auch seine Musik sind eng mit Migration und Identität verknüpft.

Migration in der Musik – eine Reise durch Identität, Exil und Sehnsucht

Migration prägt seit Jahrhunderten Biografien, Gesellschaften und auch die Musikgeschichte. Kaum eine Kunstform drückt Flucht, Verlust, Hoffnung und Sehnsucht so eindrucksvoll aus wie die Musik. Das Gstaad Menuhin Festival 2025 gliedert das Thema in vier zentrale Aspekte:

Erstens „Origin“ – Musik aus der Heimat, die verwurzelt und verbindet. Avi Avital taucht dabei mit „Mediterraneo“ in mediterrane Klangwelten ein, Fazıl Say lässt Istanbul aufleben, Regula Mühlemann erkundet mit „Heimat“ das Gefühl der Verwurzelung. Musik wird zur Brücke zwischen Herkunft und Identität.

Zweitens „Escape to Exile“ – Musik von Komponisten, die aufgrund von Krieg oder Verfolgung ihre Heimat verlassen mussten. Händels „Israel in Egypt“ erzählt vom Exodus. Hindemiths Werke spiegeln seine Vertreibung wider. Asya Fateyeva bringt mit Schulhoff und Jacobi Musik zum Klingen, die im Exil entstand – Stimmen, die der Geschichte entrissen wurden, aber nicht verstummt sind.

Pianist Víkingur Ólafsson
Foto: Víkingur Ólafsson © Ari Magg

Drittens „Inner Emigration“ – Werke von Künstlern, die sich politischer Unterdrückung durch Rückzug ins eigene Innere entzogen haben. Schostakowitschs Kammermusik, gespielt von Sol Gabetta, zeugt von Angst und Anpassung.

Rachmaninows Zweite Sinfonie mit dem Tonhalle-Orchester Zürich klingt nach Heimweh und Entwurzelung. In Beethovens letzten Klaviersonaten ergründet Vikingur Ólafsson die Isolation des alternden Meisters – Rückzug als stiller Protest.

Viertens „Nostalgia“ – Ausdruck der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat. Dvořáks „Amerikanisches Quartett“ blickt hier mit Wehmut zurück, Bizets „Arlésienne“ weckt Erinnerungen an die Provence. Bomsori Kim fängt mit „Nostalgie Française“ den Zauber Frankreichs ein. Musik erinnert, verklärt, verbindet Vergangenheit und Gegenwart.

„Music for the Planet“ – Kopatchinskajas eindringliche Botschaften

Wie bereits in den vergangenen Jahren begleitet Patricia Kopatchinskaja mit ihrer innovativen Konzertreihe „Music for the Planet“ das Festival. 2025 setzt sie zwei musikalische Schwerpunkte:

„Inner Emigration II: Unauffälliger Rebell“ (3. August 2025) – Ein Kammermusikprogramm mit Schostakowitsch‘ Klaviertrio Nr. 2, begleitet von Texten des Schweizer Autors Franz Hohler über Klimawandel und gesellschaftliche Umbrüche.

„Wurzeln im Exil“ (8. August 2025) – Ein eindrucksvolles Programm mit Musik von Panufnik, Ysaÿe und Schubert, verstärkt durch audiovisuelle Elemente des Fotografen Marco Borggreve.

Foto: Patricia Kopatchinskaja und Camerata Bern © Raphael-Faux

Kopatchinskaja selbst hat früh ihre Heimat verlassen. Für sie ist Migration nicht nur ein Thema, sondern eine persönliche Erfahrung. Über das Exil sagt sie: „Wir gingen fort, um neue Wurzeln zu schlagen, aber die Bäume unserer Kindheit, sie warten dort…“

Abschied mit einer klaren Handschrift

Mit diesem Festivaljahrgang verabschiedet sich Christoph Müller von Gstaad – und hinterlässt ein Festival, das sich nicht scheut, gesellschaftlich relevante Themen mit musikalischer Exzellenz zu verbinden. Migration, Identität und Exil sind nicht nur Schlagworte, sondern zentrale Erlebnisse vieler Künstler – und ihre Musik hält diese Geschichten lebendig.

Hier gehts zum vollständigen Programm des 69. Gstaad Menuhin Festival

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