Dirigent Adam Fischer

„Cosi fan tutte“ an der Wiener Staatsoper: Adam Fischer bleibt hinter Philippe Jordans Dirigat

Bei Mozarts „Così fan tutte“ muss man vor allem eines schaffen: den Stimmungswechsel ab dem zweiten Akt. Von der opera buffa, der Komödie – wie Barrie Kosky den 1. Akt an der Wiener Staatsoper inszeniert – hin zur Barockoper, zum ernsten Drama. Gleich vorweg: Dirigent Ádám Fischer erledigt seinen Job mit Bravour, erreicht aber nicht die Tiefe von Philippe Jordans Meisterdirigat in der letzten Saison.

Cosi fan tutte, Wolfgang Amadeus Mozart & Lorenzo da Ponte
Wiener Staatsoper, 25. Oktober 2025

von Jürgen Pathy

Das Wiener Staatsopernorchester setzt dabei zum Höhenflug an. Bereits vor dem ersten Takt ist die Marschrichtung klar. Fäuste hoch, nachdem Fischer hastig aufs Pult gehetzt war: Die Musik spiegelt das wieder – energisch, immer im Fluß, den Fischer nicht unterbrechen will. Das zeigt sich klar an einigen Stellen: bei Ferrandos Arie „Un’aura amorosa“, an den Streicherwogen bei „Soave sia il vento“ – ein Symbol für die Geschwindigkeit des Wellengangs. Dorabella, Fordiligi und Don Alfonso verabschieden gerade die beiden Offiziere, die scheinbar in den Krieg ziehen. Bei Adam Fischer zieht das Schiff zügig davon.

Geschwindigkeit ist nicht immer Plan

Das ist einerseits sicherlich Konzept, manchmal aber auch notwendig: Der Sopranistin Ruzan Mantashyan muss Fischer gelegentlich unter die Arme greifen. Das heißt: Tempo anziehen, um der jungen Sängerin über gewisse Hürden zu helfen, da einige Töne forciert klingen. Wenn’s zählt, ist die junge Armenierin aber da: Bei „Per pietà“, der großen Arie der Fiordiligi, wo die Stimmung endgültig kippt, zeigt sie, warum sie auf der großen Bühne der Wiener Staatsoper stehen darf. Rund acht Minuten Stillstand – das Highlight und der Wendepunkt in Mozarts Dramma giocoso.

Spätestens ab jetzt kippt die Stimmung. Aus der Maskerade, aus dem Spiel wird ernst. Guglielmo und Ferrando haben sich ein Eigentor geschossen. Die Treue ihrer Verlobten wollten sie testen – derer sie sich sicher waren. Pech gehabt – das geht ab nun kräftig in die Hose. Nachdem Dorabella zuvor eingeknickt war,  spürt Fiordiligi nun ebenfalls, dass sie nicht mehr widerstehen kann. Die Verführungskraft des Fremden ist erdrückend.

Mozart hat das unglaublich orchestriert – durch eine deutlich andere Tongebung als bis dahin. Plötzlich ist alles leiser, ruhiger, breiter – mit viel Gewicht, aber dennoch durchsichtig. Ádám Fischer fängt das kurz ein, schafft es aber nicht, diesen Stimmungswechsel bis zum Ende zu halten. Das hatte Philippe Jordan letzte Saison unnachahmlich geschafft.

Barrie Koskys Theater im Theater

Die Regie von Barrie Kosky spielt dabei alle Stückeln: Maskerade, Kasperletheater, viel Slapstick und Gaude im ersten Akt – ab nun aber drückende Schwere, eine Last, Stillstand. Die Bühne auf der Bühne wird zum Drama, zum Begräbnis der Treue. Das spürt man.

Don Alfonso, der Strippenzieher, zieht auf dem Dach eines Theaters seine Kreise – beobachtend, was unten passiert. Mit Luca Pisaroni, 50, hat man einen Bassbariton gefunden, der sich dem jugendlichen Elan der Inszenierung ideal fügt. Kein alter zynischer Mann, sondern ein von Hinterlist getriebener junger, der sich in die Theatergruppe integriert. Überhaupt lässt Kosky seine Protagonisten regelmäßig die Szenerie von oben beobachten. Dort finden sie Ruhe und Raum, um sich ihrer Dummheit klarzuwerden.

Dovlet Nurgeldiyev – Leichtigkeit mit Potential

Bariton Michael Werba zeigt mit seinen 51 Jahren ebenfalls noch jugendlichen Elan. Als Gulglielmo leistet er stimmlich als auch körperlich vollen Einsatz. Sein Kumpel Ferrando ist überhaupt top besetzt. Dass man von Dovlet Nurgeldiyev in Wien noch nichts gehört hat, ist eigentlich eine Schande. Selten gleitet eine Tenorstimme derart leicht durch die Arie  „Un’aura amorosa“. Und dennoch: Irgendetwas fehlt, um in Akt zwei dieses kammermusikalische Schwergewicht zu porträtieren. Zu viel Italianata, lirico spinto beinahe, etwas wenig mozartesk – und die langen Phrasen, für die Mozart so gefürchtet ist, machen ihm die Sache nicht leichter. Dennoch: Diesen Tenor sollte man am Radar haben – eindrucksvolles Timbre, eine Leichtigkeit im Ausdruck und klar.

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