Foto: Christian Thielemann bei den Salzburger Festspielen
Foto: Christian Thielemann bei den Salzburger Festspielen © SF/Marco Borrelli

Thielemann: “Man muss den Mut haben, mit den leisen Tönen zu spielen.”

(SF, 25. Juli 2024) Nach der gestrigen Generalprobe blickt Christian Thielemann auf die diesjährige Eröffnungsoper der Salzburger Festspiele, Richard Strauss´ Capriccio voraus. An Strauss´ Musik fasziniere ihn seit seiner frühen Jugend besonders dessen „unglaubliche Orchestrierungsvirtuosität“, sagt Thielemann, der gleichzeitig auf die darin liegenden Gefahren hinweist.

Er selbst habe den Umgang damit erst lernen müssen. Wichtig sei es beispielsweise, in Kadenzen das Tempo nicht zu verlangsamen und eine zu große Sentimentalität zu vermeiden. Strauss´ Stil habe sich im Vergleich zu demjenigen Wagners verändert. Die Auffassung, dass es nur Dirigenten entweder für Strauss oder Wagner gebe, sei aus seiner Sicht falsch.

“Wenn man z.B. in der Frau ohne Schatten alle dynamischen Angaben wörtlich nehmen würde, wären die Sänger und die Ohren des Publikums schnell am Ende.“

„Im Unterschied zu manchem Ritardando oder mancher Extremität, die man sich z.B. im Tannhäuser, im Tristan oder in der Götterdämmerung leisten kann, führt einen Strauss leicht auf die falsche Fährte“. Allein anhand der Angaben Pianissimo oder Fortissimo in der Partitur könne man bei Strauss nicht auf Crescendi schließen.

Thielemann über die Fallen bei Capriccio

„Bei Strauss, gerade z.B. im Rosenkavalier oder im Capriccio lauern viele Fallen. Ich sage den Musikern da manchmal: „Denken Sie an Figaro oder an Mendelssohn, an die feinen Verästelungen in dieser Musik. Strauss´ Partitur enthält da eher so etwas wie eine Ahnung oder einen Hinweis auf ein Rubato, das aber sehr wohl dosiert werden muss. Das bekommt dann auch den Sängern zugute. Wenn man z.B. in der Frau ohne Schatten alle dynamischen Angaben wörtlich nehmen würde, wären die Sänger und die Ohren des Publikums schnell am Ende.“

Angesprochen auf den Titel Capriccio und dessen Form als Konversationsstück jenseits gängiger Normen, sagt Thielemann: „Die Idee stammt ja eigentlich von Stefan Zweig, ist dann aber für eine ganze Weile in Strauss´ Schreibtisch verschwunden, bevor er sich dessen wieder angenommen hat. Mich beeindruckt das Raffinement in Strauss´ Partitur.

Zuerst die Musik oder doch der Text?

Zur der dem Stück immanenten Grundfrage „Wort oder Musik?“ sagt Thielemann: „Strauss hat sie für mich am Schluss der Oper entschieden: Die Antwort wird angedeutet, wenn die Melodie beim Abschied der Gräfin von Flamand anhebt. Strauss hat die Frage interessant diskutiert, es gibt ja gute wie schlechte Vertonungen wie umgekehrt ebensolche Texte“.

Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker
Foto: Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker © Terry Linke

Über die klanglichen Rahmenbedingungen sagt er: „Sie müssen letztendlich für jeden Sänger und für jedes Haus die richtige Sprache fürs Orchester finden. Hier im Festspielhaus haben wir zu der guten Lösung gefunden, dass wir das Orchester im Graben relativ hochgefahren haben. Die Wiener Philharmoniker hören den Sängern genau zu, sie reagieren seismografisch auf leise Schattierungen“

Bei der Aufführung von Strauss müsse man auch bedenken, wie Instrumente, beispielsweise Trompeten, vor 100 Jahren geklungen hätten. Ein Forte von früher sei nicht dasselbe Forte wie heute. Zum Aspekt der akustischen Verhältnisse ergänzt Thielemann: „In Salzburg kommen mir dabei natürlich meine eigene Erfahrung und die der Philharmoniker mit dem Haus entgegen: „Man hört dort sehr gut, und man weiß, was machbar ist.“

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