Gedanken zum Tag: „Träumerei“ von Robert Schumann

  • Beitrags-Kategorie:Gedanken zum Tag
  • Beitrag zuletzt geändert am:16. Oktober 2019
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„Von fremden Ländern“, vom „Kind im Einschlummern“ und von der „Träumerei“ erzählt Robert Schumann. Bezeichnungen, die der deutsche Komponist und Liederfürst, einigen seiner dreizehn kurzen Klavierstücken, die alle im Klavierzyklus Kinderszenen zusammengefasst wurden, gegeben hat. Unzählige Einspielungen sind davon zu finden – von Cortot bis Argerich, von Kempff bis Gilels. Doch keiner hat der „Träumerei“, dem berühmtesten Stück des Zyklus, so viel Aufmerksamkeit gewidmet, wie der legendäre Vladimir Horowitz. Der für viele beste Pianist aller Zeiten, verlieh dieser Miniatur enorm viel Tröstendes und Feingefühl. Regelmäßig gab Horowitz das Stück als Zugabe, animierte die Phantasie des Publikums und entführte sie in die fernen Weiten des Traums.

Im April 1986 kehrte Vladimir Horowitz, der mit Abstand berühmteste Pianist des 20. Jahrhunderts, noch einmal zurück in seine alte Heimat Russland. Es war sein größter Wunsch gewesen. Nach rund 60 Jahren im Exil und einem Leben, das geprägt gewesen war von Höhen und Tiefen, gab der „letzte Romantiker“ ein legendäres Konzert im Moskauer Konservatorium.

Kritik, Zeitzeugen und Weltstars wie Martha Argerich und Daniil Trifonov beschreiben das Konzert als einmaliges Erlebnis. Mit nur einem Hauch von einem Anschlag „weiß Horowitz, wie man der Stille zuhört, wie man im Pianissimo tatsächlich eine Spannung hält“, beschreibt Daniil Trifonov das einzigartige Spiel des 1989 verstorbenen Virtuosen. Laut Martha Argerich, ihrerseits bereits zu Lebzeiten eine Legende, sei Horowitz der beste Liebhaber, den das Klavier je hatte.

Zum Glück wurde dieses Konzert mitgeschnitten und für die Nachwelt auf CD und Video konserviert: Horowitz in Moskau.

Kinderszenen op. 15 – Rückblick auf die Kindheit und das Leben

Kinderszenen op. 15 - Ein poetischer Rückblick auf dem Klavier | Robert Schumann
(Foto: pixabay/perovict)

Die Träumerei ist das siebente von dreizehn kurzen Klavierstücken, die im Klavierzyklus Kinderszenen op. 15 zusammengefasst wurden. Veröffentlicht wurde der Zyklus im Jahre 1838, einer für Robert Schumann ungemein schwierigen Zeit.

Seit 1835 waren er und die blutjunge Clara Wieck (1819 – 1896) ein Liebespaar. Eine Affäre, der Claras Vater Friedrich Wieck mit wenig Wohlwollen entgegenstand. Mit allen Mitteln versuchte er, der auch Schumanns Klavierleher gewesen ist, diese Liaison zu verhindern. Verbot den Kontakt – heutzutage kaum vorstellbar, zu jener Zeit noch Gang und Gebe –, ließ Briefe verschwinden und versuchte diese Liebesbeziehung mit allen Mitteln zu boykottieren.

Des einen Frust ist des anderen Glück. Wer weiß, ob uns Robert Schumann jemals diese Musik hätte schenken können, wäre sein (Liebes) Leben in geordneten Bahnen verlaufen. Aus der großen Sehnsucht nach seiner Liebsten und der tiefen Leidenschaft heraus, entstanden einige der romantischsten Schumann ’schen Werke und der Musikgeschichte überhaupt. Die innere Zerissenheit dieser Jahre schildert der Poet vor allem in den zu dieser Zeit entstandenen Klavierwerken. In der Kreisleriana, dem schönsten Liebesgedicht der Geschichte, in der Fantasy in C-Dur, und in den sehnsüchtig verträumten Kinderszenen.

Viele seiner Werke, besonders die Kreisleriana, werden von einem Wechselspiel dominiert, einem ständige Auf und Ab, mal kindliche Heiterkeit, dann wieder bitter-süße Melancholie. Herzzerreißende Geschichten, die bis heute noch immer Jung und Alt zu fesseln vermögen.

Ein zwiespältiges Kompositionsverhalten, das möglichweise bereits damals auf eine manisch-depressive Störung hinweisen könnte, die letztendlich zu seinem tragischen Ende führen sollte: Geplagt von grässlichen Stimmen, Fratzen und Geistern wird sich Robert Schumann 1854 in den eiskalten Rhein stürzen. In der Absicht seinem trostlosen Leben ein jähes Ende zu setzen.

Kurze Zeit später lässt er sich zum Schutz seiner Kinder und der heißgeliebten Gattin Clara selbst in die Nervenheilanstalt in Endenich bei Bonn einliefern. Die Rezension verkauft dieses selbstlose Verhalten als den ultmativen Liebesbweis, als Aufopferung der eigenen Person zum Glück des anderen. Der Autor Uwe Henrik Peters  schildert jedoch ein ganz anderes Bild. Nach ausführlichen Studien der Tagebücher, der Krankenberichte und vieler Dokumente kommt er zum Entschluss: Robert Schumann habe sich zwar selbst einweisen lassen, in der Folge hätten Clara und der behandelnde Arzt jedoch mit allen Mitteln seine Entlassung verhindert.

Ohne die Anstalt jemals wieder zu verlassen, verstirbt Robert Schumann am 29. Juli 1856. Zum Glück jedoch nicht ohne der Nachwelt ein herzergreifendes, hochromantisches Ouvre zu hinterlassen und nach Schubert den Weg der Romantik zu ebnen.

Die Kunst des Schumann’schen Klavierspiels

Technisch sind die Kinderszenen laut Henle-Verlag leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrads. Doch nur weil ein guter Klavierschüler das technische Rüstzeug besitzt um diesen Zyklus auf dem Klavier vorzutragen, heißt dies noch lange nicht dass er ihm gewachsen ist. Geschweige denn meistert. Viele Mozart Klaviersonaten bewegen sich im mittel-leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrad, jedoch wird es mir Bang und Übel wenn ich an langatmige Vorträge von fortgeschrittenen Studenten zurückdenke. Robert Schumann der intime Poet! Ihn entsprechend vorzutragen, die ganze Schumann’sche Poesie über die Tastatur dem Zuhörer, euch, zu vermitteln, das ist eine nicht zu unterschätzende Kunst. Eine Kunst die nur die wenigsten Pianisten beherrschen. Erst durch diese Fertigkeit wird ein Klavierstück lebendig und erstrahlt voller Farben. Nimmt euch mit auf eine emotionale Reise.

Hört jedoch selbst und beobachtet gleichzeitig das Publikum im „Träumerei “ Video. So bewegend und herzergreifend kann Musik sein. Sodass der ein oder andere Zuhörer eine Träne vergießt. Selbstverständlich sind dazu auch Pianisten/innen von Weltrang nötig. Vladimir Horowitz zählt zu dieser besonderen Gattung. Jedoch nicht nur er sondern auch einige andere, darunter auch Alfred Cortot.

Der Dichter spricht

„Der Dichter spricht“ – so lautet das 13. und letzte Stück der Kinderszenen. Hervorheben möchte ich es aus zwei Gründen. Erstens ist es ein Stück das genau die oben erwähnten Fertigkeiten benötigt. Und zweitens zeigt es uns warum dieser Robert Schumann so besonders ist. Er zeigt sich uns so verletzlich. Öffnet sich vollkommen. Kein anderer Komponist – behaupte ich Vorlaut – lässt uns so tief in seine Seele blicken.

„Die Wahrheit ist, Sie müssen dieses Stück eher träumen anstatt es zu spielen“
(Alfred Cortot )

Der komplette Klavierzyklus

Genau von diesem Cortot verlinke ich die kompletten Kinderszenen. Ich bitte euch die Tonqualität in den Hintergrund zu stellen und den Focus auf sein Klavierspiel zu legen. Die Aufnahme entstand bereits 1935. Sehr lange vor der uns gewohnten High Definition Zeit. Im Spotify link sind die Kinderszenen von Vladimir Horowitz.

Selbstverständlich habe ich Stücke/Werke von Robert Schumann auch auf der Klassikpunk homepage, dem Klassik Musik Guide für Einsteiger, genannt.

Vielen Dank und bis zum nächsten mal.  Pfiat eich Gott alle miteinand!

Euer Klassikpunk

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Henriette Kaiser

    Danke YouTube, dass es über euch möglich ist, solche musikalischen Eindrücke einfach zuhause mitbekommen zu können.

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