Cecilia Bartoli an der Wiener Staatsoper 2022
Foto: Cecilia Bartoli © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Zeuge der Bartoli-Mania: Fürst Albert II. von Monaco besucht die Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper, 3. Juli 2022
Il turco in Italia, Gioachino Rossini

In Wien hat sie eingeschlagen wie eine Bombe. Wer letzten Dienstag bei Cecilia Bartolis Hausdebüt dabei sein durfte, konnte kaum glauben, was sich da im Anschluss für Szenen abgespielt haben. Zwei, was heißt, drei Zugaben hatte sie bereits aufs Parkett gezaubert. Da waren noch immer geschätzte zwei Drittel des Publikums zur Stelle. Rund 30 Minuten nach Ende der halbszenischen Aufführung, die natürlich restlos ausverkauft gewesen war.

Ganz so heftig hat es gestern nicht gekracht. Vielleicht lag es am Sujet der Oper. Möglicherweise auch daran, dass „Il turco in Italia“ musikalisch nicht mit so vielen Raffinessen aufwartet, wie „La Cenerentola“ am Dienstag. Der Stimmung hat es dennoch keinen großen Abbruch getan. Immerhin hat es die große Bartoli geschafft, die Wiener Staatsoper innerhalb weniger Tage ein zweites Mal bis an den Rand zu füllen.

An den Haaren herbeigezogen

Das Sujet der Oper ist schnell erklärt. „Il turco in Italia“ – zu Deutsch: Der Türke in Italien – behandelt das ewige Spiel zwischen Liebe, Macht und Intrigen – verpackt in eine Art Theater im Theater. Auf der Suche nach einem Stoff für seine Oper findet sich der Dramaturg Prosdocimo in einem feurigen Konstrukt wieder.

Selim, ein türkischer Fürst, verliebt sich in Donna Fiorilla. Das freizügige Weib umschwirren auch andere Verehrer. Da sie es mit der Treue nicht ganz so ernst nimmt, schaukelt sich das ganze Spiel natürlich hoch. Das bekommt auch ihr Gatte Don Geronio zu spüren. Um das Ganze bis an die Spitze zu treiben, lässt Rossini in das Werk auch noch eine Maskerade einfließen – und voilà: Fertig ist die opera buffa.

Beim Publikum der Mailänder Uraufführung 1814 fiel „Il turco in Italia“ durch. Auf den Spielplänen der Opernhäuser ist das Werk heute auch recht selten zu finden – an der Wiener Staatsoper nach 1962 überhaupt erst zum zweiten Mal.

Gianluca Capuanos Einstand 

Dass man nun dennoch mehr als einen Achtungserfolg erzielen konnte, ist nicht nur Cecilia Bartolis großem Namen zu verdanken. Innerhalb kürzester Zeit hat Dirigent Gianluca Capuano sich mit den Besonderheiten der Wiener Staatsoper vertraut gemacht. Waren bei „La Cenerentola“ noch nicht alle Dynamiken fein ausbalanciert, flossen die auf Darmsaiten erzeugten Melodien nun in einhelliger Harmonie mit allen Sängern.

Nicht das einzige, was aufgefallen ist. Den sonst so hohen Orchestergraben hat man um gefühlte Lichtjahre nach unten getrieben. Möglich nur, weil die Wiener Philharmoniker ihren Platz bereits in Richtung Salzburger Sommerresidenz geräumt haben. Maestro suggeritore benötigt Capuano ebenso keinen. Zumindest nicht, solange er mit seinem vertrauten Orchester aus Monaco um die Welt tourt. Seit 2019 leitet Capuano die musikalischen Geschicke des Orchesters Les Musiciens du Prince – Monaco, das sich der historischen Aufführungspraxis verschrieben hat.

Und die Bühnenrampe: Die hat man sicherlich um mindestens zwei Meter in Richtung Zuschauerraum gedehnt. Dass das Spekulationen nährt, die wohlwollender sein könnten, darf nicht verwundern. Immerhin ist die Bartoli, die nun seit über drei Jahrzehnten erfolgreich auf der Bühne steht, nie berühmt dafür gewesen, dass sie eine große Stimme hätte.

Ihre Tugenden lagern seit jeher woanders: Glühendes Mezza-Voce, spektakuläre Koloraturen und ein Legato, wie man es nur selten hört – und als wäre das noch nicht genug: Oben drauf noch eine riesige Portion an Selbstbewusstsein und eine Bühnenpräsenz, die man kurz und bündig einfach nur mit dem Vokabel „Energiebündel“ umschreiben könnte. Platz für andere lässt sie dennoch.

Die haben zwar auch nicht durch die schiere Größe ihrer Stimmen gepunktet, dafür aber mit ebenso geschmeidiger und eleganter Stimmführung. Ildebrando D’Arcangelo als Selim, der mit seiner Charmeoffensive nicht nur um Fiorillas Herz gebuhlt hat. Bariton Nicola Alaimo, der als gehörnter Ehemann Geronio eine enorme Spielfreude an den Tag gelegt hat. Oder der Britte Barry Banks, dessen tenorale Grazie als Don Narciso aus dem ganzen Gefüge hell hervorgestochen ist. Etwas unscheinbar wirkte hingegen die Mezzosopranistin José Maria Lo Monaco als Zaida.

Regietheater sieht anders aus

Auf der Bühne gab es wenig Bahnbrechendes. Wer die Bartoli von den Salzburger Pfingstfestspielen kennt, weiß, dass sie zwar durchaus gewillt ist, moderne Einflüsse zuzulassen, all zu assoziatives Regietheater ist ihre Sache aber nicht. Dennoch hätte Regisseur Jean-Louis Grinda für die Wiener Premiere etwas mehr riskieren können.

So bleibt es ein opulenter Abklatsch, der irgendwo zwischen orientalischer Idylle und großer Spielfilmtradition verweilt. Dass man bei der konservativen Inszenierung, die sich zwar farblich aus der ganzen Regenbogenpalette bedient, genügend Zeit gefunden hat, um abzuschweifen, hat vielleicht auch was Positives.

Sonst hätte man es etwa versäumt, dass in der „Kaiserloge“ prominente Gäste Platz genommen hatten. Warum es Fürst Albert II. samt Schwesterherz, Prinzessin Caroline, nach Wien verschlagen hat, wird dann auch schnell klar. Als Prinzipalin der Opéra de Monaco, hat man Cecilia Bartoli ab nächster Saison an das Opernhaus des kleinen, aber mondänen Fürstentums gebunden.

Ob die gebürtige Römerin dann noch genügend Zeit finden wird, um das Publikum wieder in Scharren an die Wiener Staatsoper zu locken, bleibt nur zu hoffen. Auch, wenn da mittlerweile die differenzierte Darstellung etwas in den Hintergrund gerückt ist, als charismatische Koloratur-Akrobatin füllt die Bartoli immer noch jedes Haus.

Jürgen Pathy (klasssikpunk.de), 4. Juli 2022, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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