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Fünf Sterne für ein stürmisches Abenteuer: Festival Paax GNP

In Wien vermisst man Jakob Feyferlik schon länger. Dass einem der ehemalige erste Solotänzer des Wiener Staatsballetts in Mexiko über den Weg läuft, ist eine große Überraschung. Nicht die einzige, die man beim Festival Paax GNP erleben darf. Klassik & Kulinarik unter Palmen, dazu noch eine Menge an Abenteuern. All das liefert ein Spektakel, das abseits der Normen verläuft.

Von Jürgen Pathy

„Hola, cómo estás?“. Blendend! Wie soll’s einem gehen, wenn man einem alle Wünsche von den Lippen liest. 24/7 Roomservice, Infinity-Pool, zwei handvoll Restaurants, die alle möglichen Spezialitäten anbieten – von der Selbstbedienung bis zum Michelin-Sterne-Koch. Und das alles: All inklusive im Luxusresort „Xcaret Arte“, wo Alondra de la Parra ihr Klassikfestival vom 28. Juni bis 7. Juli 2024 veranstalten wollte.

(Fast) vom Winde verweht

Nur einer hatte etwas dagegen: Hurrikan „Beryl“, der für einen frühzeitigen Abbruch des Klassikfestivals am Karibischen Meer gesorgt hatte. Nach neun Tagen war Schluss. „Aus moralischen Gründen“, wie mir Emilio Lezama, der PR-Chef vor Ort erzählt. Man wolle kein Fest feiern, während einige Kilometer entfernt die Menschen vielleicht um ihre Existenz bangen. Sicherheitstechnisch wäre alles leicht zu stemmen gewesen. Wie alles im luxuriösen Resort, wo sich viele us-amerikanische Gäste die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.

Hurrikan der Stufe 2, maximale Windgeschwindigkeiten bis zu 170 km/h. Für die Einheimischen business as usual, wenn auch nicht zu dieser Jahreszeit. Normalerweise treten Hurrikans dieser Stärke erst später auf. Heißt einfach: Schotten dicht machen, ab aufs Zimmer und mal eine Nacht die Füße still halten. Für Verpflegung und Sicherheit ist im „Xcaret Arte” natürlich gesorgt. Im Juli 2021 eröffnet, bietet das riesige Areal mit seinen 900 Suiten den Himmel auf Erden.

Vorsicht scheint überhaupt oberste Priorität zu genießen.„BARRACUUUDA“-Alarm, mehrmals täglich. Das Heißt: rote Fahnen, raus aus dem Meer, rein in die Poolbar. Gibt Schlimmeres als Piña Colada zu schlürfen, während die Sonne über dem türkisblauen Meer untergeht. Und abends nur eine Entscheidung zu treffen ist: „Darkside”, Konzerte unter freiem Himmel; Sushi oder Mexikanisch; oder Ballet und Brahms?

Die Klassikelite zu Gast im Dschungel

Alle sind sie gekommen. Die Creme de la Creme der europäischen Ballettszene. Weil Christopher Wheeldon gerufen hatte, der Choreograf des Londoner Royal Ballets. Ihn hat Alondra de la Parra ebenso nach Mexiko geladen, wie viele namhafte Musiker und Musikerinnen der ganzen Welt.

Klarinettist Sacha Rattle ist Vorort, seines Zeichens Sohn des berühmten Sir Simon Rattle, der im Augenblick den Chefposten beim BRSO in München übernommen hat. Genauso wie Konzertmeister, Stimmführer und Orchestermusiker großer europäischer Orchester wie der Tonhalle Zürich, der Berliner Philharmoniker oder der Wiener Symphoniker.

Das Programm ist fast so exotisch wie der Ort. Orchestermusik, Kammermusik, Ballett, Oper – so gut wie alle Bereiche hat man abgedeckt, dennoch für Abwechslung vom alltäglichen Repertoire gesorgt. „Unser Programm ist out of the box“, bestätigt Jonas Grunau, der Verantwortliche für alle Termine von Alondra de la Parra in Europa. Mandolinengott Avi Avital ist ebenso dabei wie unbekannte Werke großer Komponisten.

Alondra de la Parra, die heimliche Botschafterin Mexikos

Rossinis „Fagottkonzert“ – noch nie gehört. Gibt dem israelischen Fagottisten Mor Biron die Chance, seine Virtuosität in der Kadenz des ersten Satzes unter Beweis zu stellen. Ernö Dohnanyis Sextett – ebenso ein schwarzer Fleck auf meiner Landkarte. Fast schon ein orchestrales Erlebnis. Violine, Viola, Cello, Horn, Klarinette und Klavier. Der Sound hat es in sich. Wie auch die Reaktionen des Publikums im Salón Diego, dem eigenen Konzertsaal direkt auf dem riesigen Hotel-Gelände. Standing-Ovations kennt man aus Europa, in Mexiko, mitten im Dschungel sind sie dennoch etwas intensiver, feuriger, impulsiver.

Nur mit Schostakowitsch scheint die Klientel etwas überfordert. Obwohl Alondra de la Parra alles aus dem La Orquesta Imposible, dem Festivalorchester, herausholt. „Sie hat hier einen ganz eigenen Spirit geschaffen“, strahlt Raphaël Schenkel, der mir am Strand über den Weg läuft. So einen Zusammenhalt habe er noch nirgendwo erlebt, ist der Klarinettist sofort Feuer und Flamme, während er von der mexikanischen Dirigentin erzählt.

„She is the real ambassador of Mexico“, zeigt sich Francisco Quiroga ebenso wertschätzend. Der mexikanische Botschafter in Deutschland hat ebenso einen Abstecher zum Festival gemacht, um sich von Alondra de la Parras Energie mitreißen zu lassen. Viele seien überhaupt nur ihretwegen gekommen, bestätigten einige Offizielle vor Ort. Einwände, es sei eine reine „Egoshow” ihrerseits, will man also nicht stehen lassen. 2022 hat Alondra de le Parra das Festival zum ersten Mal veranstaltet. Um einer Mischung aus mexikanischen wie auch internationalen Künstlern die Chance zu geben, die Vielfalt der Musik direkt in ihrer Heimat zu präsentieren.

Exotische Abenteuer abseits des Hotels Xcaret Arte 

Wen das noch immer nicht überzeugt hat, der kann abseits des Geländes die kulturellen Vorzüge des Landes erkunden. „Welcome to the jungle“, dröhnt es aus dem klimatisierten Mini-Bus, bevor uns Martin, der Tourguide, in die Tiefen der „Xenotes“ stürzen lässt. Riesige Wasserlöcher, tief im Dschungel, die von den Mayas als heilig erachtet wurden. Ebenso wie Tulum oder Cobá, wo heute noch die Überreste dieser frühen indigenen Hochkultur zu bestaunen sind. Alles inklusive, eh klar.

„Only for special requests such as champagne“, müsse man extra zahlen, erzählt mir Rafael, einer der Concierges, die an allen Ecken des Resorts anzutreffen sind. Nachts, um 21:00 Uhr Ortszeit. Minus 7 Stunden Zeitverschiebung, 30 ° Celsius, Luftfeuchtigkeit: um die 75 Prozent. Nachdem mich der hoteleigene Busshuttle vom Flughafen Cancún nach Playa del Carmen chauffiert hat. Klimatisiert natürlich, wie vieles auf dem Hotelgelände auch. Als einzigen Gast wohlgemerkt, der den Umweg über einen Zwischenstopp in Houston auf sich genommen hatte. Am nächsten Tag wäre es ein Direktflug von Frankfurt geworden.

Seitdem sind ein paar Tage vergangen. Dazwischen liegen unzählige Konzerte, Drinks, ein Sonnenbrand, viele Stunden Flug, Jetlag inklusive. Alles sehr aufregend für einen Gringo, der Hurrikans bislang nur aus den Nachrichten kannte, Schlangen nur aus dem Zoo und luxuriöse Kingsizebetten nur aus dem Film. Alles Eindrücke, die noch eine Zeit lang sacken müssen. Überhaupt das Schwimmen auf hoher See mit Walhaien, die eine Länge von bis zu 13 Meter erreichen können. Fünf von fünf Sternen aber einstweilen – weil dieses surreale Gesamtpaket einen komplett aus dem Alltag und der Realität der Mittelmäßigkeit reißt.

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