Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen 2022
Foto: Catherine Foster und Stephen Gould im Bayreuther Tristan © Enrico Nawrath

Tristan und Isolde in Bayreuth: Weltflucht-Epos im Sog der Bilder

Die Bayreuther Festspiele eröffneten mit einer umjubelten Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ durch Roland Schwab / Bitte mehr Textverständlichkeit.

Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2022
Tristan und Isolde, Richard Wagner

Von Barbara Angerer-Winterstetter

Ironie des Schicksals: Noch 1857 plante Richard Wagner seinen „Tristan“ in „geringen, die Aufführung erleichternden Dimensionen“. Nur wenige Jahre später galt das Werk schon als unaufführbar: Nach der Zurückweisung der Wiener Hofoper 1863 musste Ludwig II. ein Machtwort sprechen, um den „Tristan“ in München aus der Taufe zu heben. 2022 wird nun ausgerechnet dieses hoch anspruchsvolle Werk der neue Bayreuther „Joker“: Kurzfristig als zusätzliche Neuproduktion zum „Ring“ auf den Spielplan genommen, soll es im Corona-Fall die Choropern „Lohengrin“, „Tannhäuser“ und „Holländer“ ersetzen.

Erst im Dezember 2021 erfuhr Regisseur Roland Schwab von seinem Hügel-Debüt mit dem „Tristan“. Kurz vor der Premiere gab es Corona-bedingt auch noch Umbesetzungen in der musikalischen Leitung – so stand nun bei der Eröffnungspremiere nach ganzen zwei Proben Markus Poschner, Chefdirigent des Bruckner Orchester Linz, am Pult des Festspielorchesters. Ein „schneller“ Tristan also mit einem Bruchteil der sonst üblichen Proben: Kann das gut gehen? Die Premiere am Montag zeigte: Es kann.

Roland Schwab hat einen „Tristan“ für Bayreuth aus dem Ärmel geschüttelt, der von großer Liebe zum Werk spricht und Hoffnung macht in Zeiten von Krise und Krieg. „Ewig“, so hört man aus Kritikerkreisen, steht in Sanskrit als Leitmotiv leuchtend rot links am Bühnenrand. Ein Liebespaar in verschiedenen Altersstufen begleitet durch die Inszenierung. Bis hin zum greisen Paar, das sich zu Isoldes Liebestod an den Händen fasst. Berührend schön. Und im Hintergrund ranken zwei Pflanzen, die früheren „Tristan“-Vorlagen gemäß Tristan und Isolde symbolisch im Tod vereinigen. Endlos. Ewig.

Regisseur Roland Schwab in Bayreuth
Fon: Von der Inszenierung des Regisseurs Roland Schwab waren nicht alle restlos überzeugt © Daniel Karmann / dpa

Der Rest der Regie bleibt leider statisch, lebt aber von starken Bildern (Bühne: Piero Vinciguerra). Ein wassergefülltes Oval dominiert die Bühne unten, ein anderes schräg darüber öffnet den Blick nach oben, zeigt Himmel, Wolken, Sterne. Das erinnert an Wolfgangs „Ring“-Scheibe, mit schattenhaft-statischen Figuren auch an Wielands Neubayreuth. Dann aber wird die Szenerie lebendiger Teil des Spiels. Denn der stylische Pool des Luxusliners, mit dem Isolde gen Cornwall übersetzt, färbt sich bei ihren wütenden Erzählungen plötzlich dunkelrot. Ein Blutbad, das von Mord, Wunden und der Liebe zum Mörder in der Vorgeschichte erzählt.

Nach dem Genuss des Tranks wird das Wasserbassin für Tristan und Isolde plötzlich betretbar: Getragen von Liebe können beide übers Wasser schreiten, das dann allerdings schnell zum gefährlichen Strudel wird. Im zweiten Aufzug wandelt sich die Spielfläche zur Weltflucht-Fläche mit Sternensog und ekstatischem Lichterrausch, aus der Kurwenal seinen Herrn Tristan im dritten Aufzug mit einem Seil zu retten versucht. Als Tristan schließlich vor den Augen von Isolde stirbt, vertrocknet die Fläche und bildet eine unüberwindbare Barriere. Das alles kombiniert mit kongenial eingesetzten Lichtkontrasten (Nicol Hungsberg) ist ein starker Eindruck.

Die Musik darf, ja muss eine solche Szenerie bis in den letzten Winkel mit großen Emotionen füllen: Markus Poschner vollbringt das Kunststück, das nach leicht wackeligem Beginn symphonisch auftrumpfende Festspielorchester immer wieder mutig an Grenzen zu führen, aber auch wundervoll lyrische Klangteppiche zu weben. Mit ganz großem Atem im Liebesduett des zweiten Aufzugs. Dazu kommt ein intuitiv richtiger Umgang mit der vertrackten Akustik des Festspielhauses. Für Poschner gab es an diesem heftig umjubelten Premierenabend den größten Beifall.

Tristan und Isolde von den Bayreuther Festspielen 2022, Stephen Gould und Catherine Foster
Foto: Stephen Gould und Catherine Foster als „Tristan und Isolde“ in Bayreuth © Enrico Nawrath

Angesichts der engen Probenzeit mag Roland Schwab dankbar um die Bayreuth-erfahrene Besetzung der beiden Hauptpartien gewesen sein. Catherine Foster hat klare, starke Spitzentöne und die Power für die herrische Isolde des ersten Aufzugs. Der lyrische Zauber aber fehlt, der „Liebestod“ verfehlt seine Wirkung – und im Laufe des Abends schleichen sich Intonations-Trübungen ein. Es gibt aktuell Isolden, die weniger wuchtig, dafür strahlender singen. Wie Camilla Nylund in Zürich, die derzeit auf dem Hügel als Elsa beschäftigt wird.

Stephen Gould als Tristan ist eine sichere Wahl und selbst im dritten Aufzug noch ausdrucksstark. Mit dem sterbend verhauchten „Isolde“ gelingt ihm ein Gänsehaut-Moment. Aber: Ansonsten fehlt die Lyrik auch hier. Gould stemmt in dieser Festspielzeit noch Tannhäuser und den „Götterdämmerungs“-Siegfried. Man drückt ihm die Daumen.

Sie alle überstrahlt der wundervolle Georg Zeppenfeld als König Marke: Stimmliche Bestform kombiniert er (als beinahe Einziger!) mit höchster Textverständlichkeit. Da kann allenfalls noch der warme Bariton von Markus Eiche (Kurwenal) mit und Ekaterina Gubanova als warm strömende Brangäne. Eine Produktion, die für die Folgejahre Raum bietet für frische Stimmen und bitte mehr Textverständlichkeit in den Hauptpartien!

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