Ein denkwürdiges Ereignis (I) | Grigory Sokolov Konzert (2016)

[ Mozart, Klaviersonate Nr. 14 in c-Moll KV 457 (Grigory Sokolov)]

Grigory Sokolov – ein lebender Gigant

Heute möchte ich euch gerne teilhaben lassen am ersten Teil eines Grigory Sokolov (* 18. April 1950 in Leningrad) Konzertberichts. Den ich schon vor einiger Zeit anderswo in einem Forum verfasst hatte. Einige Tage nach dem Wien Konzert vom 7. Dezember 2016 im Großen Saal des Wiener Konzerthaus.

Grigory Sokolov
Grigory Sokolov (Foto: WIkimedia Commons/ Martin Fleck [CC BY-SA 4.0] )
Ich wollte den Bericht schon früher verfassen, bin aber ziemlich eingespannt. Und mit einem einfachen „Super“ will ich dieses einzigartige Erlebnis nicht abtun und der Belanglosigkeit preisgeben.

Dafür ist dieser Jahrhundertpianist, der auf einem Plateau thront zusammen mit Evgeny Kissin und Arcadi Volodos, zu bedeutend. Mögen alle drei über noch so unterschiedliche Qualitäten verfügen, entspringen sie doch alle der russischen Schule. Zählt man die bereits verstorbenen Giganten dieser Schule hinzu, kann ich klipp und klar behaupten: Irgendetwas an deren Art des Klavierspiel übt eine große Faszination aus!

Nun denn…

Sokolov und Mozart – ein zwiespältiges Erlebnis

Zu viel getrödelt und erst zum offiziellen Beginn im Konzerthaus eingetrudelt. Deshalb samt Jacke und Schal in den Saal gehetzt, nur um zu erkennen, dass ein erheblicher Teil der Besucher noch nicht einmal Platz genommen hatte. Der große Saal des Wiener Konzerthaus war selbstverständlich ausverkauft. Bis zum letzten Platz haben sie den Saal vollgerammelt. Sogar Stühle auf dem Konzertpodium. Das konnte ich zuvor der homepage entnehmen.

Die erste Hälfte des Rezitals widmet er Wolfgang Amadeus Mozart. Der Meister betritt das Podium. Keine Lust über Belanglosigkeiten wie Aussehen und Auftreten zu schreiben. Die ersten Töne erklingen und ich denke mir nur: „Heilige Scheiße ist das leise. Bin ich froh in Reihe 6 zu sitzen“. Nie wieder mache ich den Fehler mir ein Klavier Rezital in einem der beiden großen Wiener Säle aus den hinteren Reihen anzuhören. Wenn möglich! Um ehrlich zu sein eine eigene, gewöhnungsbedürftige Interpretation! Vor allem in den schnelleren Sätzen. Für meinen Geschmack vertragen Mozarts schnelle Sätze etwas mehr Humor. Zusätzlich herrscht sehr viel Unruhe im Saal. Wie immer zu anfangs. Einige stechen besonders negativ hervor und husten um die Wette. Ich möchte sie alle am liebsten eigenhändig vor die Tür setzen. Und um ehrlich zu sein, würde ich durch diese Aktion nicht den Pianisten stören, würde ich es auch machen! Ich hab die Nase voll von egoistischen Besuchern und/oder Langweilern, die nur von ihren Partnern mitgeschleppt werden, weil diese aufgrund von sozialen Zwängen nicht in der Lage sind einem solchen Ereignis alleine beizuwohnen. Krank lass ich noch eher gelten. Diesen Unterschied hört man jedoch.

Es zeigt aber auch wieder ganz deutlich wie schwer es ist einem Mozart zu folgen, vor allem wenn er noch dazu humorlos vorgetragen wird. Zusätzlich setzt mitten drin in einer kurzen Atempause, ich weiß nicht mehr genau wo, Applaus ein, weil einige Besucher denken das Werk sei zu Ende. So vergehen im Grunde zwei Mozart’sche Werke (Sonate KV 545 „Facile“ & Fantasie KV 475) ohne diese wirklich fassen zu können. Ist aber oft so. Ich denke dem Pianisten geht es da oft nicht anders.

Ein denkwürdiges Zusammentreffen

Erst bei der c – Moll Sonate KV 457 fängt er mich. Dann überhöre ich auch gelegentliches Husten. Es rückt weit aus meinem Focus. Genau diese Moment suche ich. Immer. Für mich besteht solch ein Rezital nicht aus belanglosem Zuhören, sondern im besten Fall aus einem Ganzkörpererlebnis. Merkwürdiges ereignet sich. Während dem Adagio verändert sich plötzlich das Licht im Saal (das Licht wird bei Sokolov Konzerten generell stark verdunkelt). Im nächsten Augenblick sehe ich Mozart vor meinem geistigen Auge über dem Flügel. Ein etwas kitschiges Bild. Denn auf der rechten Körperseite liegend, den Ellbogen der rechten Hand vor sich am Boden, den Kopf auf die Hand gestützt, schwebt er wie auf einem von einer leichten Windbrise getragenen Blatt hin und her, von oben nach unten und wiederum zurück. Jedoch mit sehr sanften und langsamen Bewegungen. Ein Lächeln auf seinen Lippen lässt ihn beinahe kindlich glücklich erscheinen.

Ich vermag mit Worten nur schwer zu beschreiben welche Töne der 66 jährige Russe seinem Instrument zu entlocken vermag. Jemand, der mit seinem Klavierspiel in der Lage ist für derart einzigartige Erlebnisse zu sorgen, ist mit Worten nicht annähernd zu umschreiben: beeindruckend, ergreifend, phänomenal. Um es doch zu versuchen. Nein, keine Drogen. Total nüchtern. Seltsam geniales Erlebnis.

Sein Anschlag ist einzigartig. Sein Piano ist nur schwer zu umschreiben. So sanft habe ich noch nie einen Ton aus dem Klangkörper des Flügels entweichen hören. Seine Triller sind unerreicht. Seine Anschlag-Technik sehr markant. Seine magischen Hände federn regelmäßig extrem in die Höhe. Weg von der Klaviatur. Als würden sie auf einem Trampolin turnen.

[Fortsetzung folgt………]

Sokolov spielt Bach

Folgendes Video hat nicht viel mit leisen sanften Tönen am Hut, aber beobachtet mal seine Hände. Nur zur Veranschaulichung seiner Technik. Einfach atemberaubend dieser Grigory Sokolov! Hier spielt er energisch aber auch bei leisen Tönen federn seine Finger genauso regelmäßig hoch in die Luft.

Sokolov CD – Mozart und Rachmaninow Konzerte

Dieser Grigory Sokolov ist medial nur schwer greifbar. Er gibt generell sehr wenig Interviews, veröffentlicht extrem selten CDs und betreibt auch sonst kein großes Marketing. Im März 2017 veröffentlichte die Deutsche Grammophon eine der seltenen CDs des Künstlers Sokolov: Mozart / Rachmaninov Concertos. Diese beinhaltet Mozarts Klavierkonzert in A-Dur, KV 488 als auch Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert. Einer seiner seltenen Auftritte samt Orchester. Zusätzlich eine DVD mit einem Porträt von Grigory Sokolov „A Conversation That Never Was“.

Grigory Sokolov spielt Mozart und Rachmaninow

 

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