Cecilia Bartoli
Foto: Cecilia Bartoli © Kristian Schuller / Decca

Cecilia Bartoli: „Als Musikerin und Sängerin glaube ich fest an die Kraft der Musik”

„Les Passions de l’âme“ – Den Mythos rund um die betörende Klage des Orpheus und dessen Gang in die Unterwelt stellt Cecilia Bartoli als Künstlerische Leiterin ins thematische Zentrum der Pfingstfestspiele 2023. Warum dieser Stoff Komponisten immer wieder inspiriert und welche Bedeutung er für sie hat, erzählt Cecilia Bartoli im Interview.

Frau Bartoli, 2023 stellen Sie den Mythos Orpheus ins Zentrum des künstlerischen Geschehens. Worin liegt für Sie die Faszination dieses Stoffs?

„Als Musikerin und Sängerin glaube ich fest an die Kraft der Musik und der menschlichen Stimme. Deshalb ist der Mythos von Orpheus natürlich eine der antiken Sagen, die mich am meisten fasziniert. Ich fühle mich ermutigt, wenn ich von der wunderbaren Wirkung von Orpheus’ Musik lese: wie sie die bedrohlichsten Feinde – und sogar den Tod – besänftigen konnte, wie sie Leben auf eine Weise veränderte, die undenkbar gewesen wäre, wenn Orpheus nicht verzweifelt gewagt hätte, die ewigen Weltgesetze herauszufordern. Wir treffen in Orpheus auf einen Helden, der mit seiner Musik den vorgezeichneten Lauf des Schicksals geändert hat – da ist es verständlich, dass er vor allem das Interesse von Komponisten auf sich gezogen hat.

Welche szenischen Werke werden uns unter welchen künstlerischen Vorzeichen bei den Pfingstfestspielen konkret begegnen?

Ich möchte einige wesentliche Opernfassungen des Orpheus-Mythos im Pfingstprogramm 2023 präsentieren: Unsere szenische Neuproduktion ist Glucks Orfeo ed Euridice in der selten gespielten Parma-Fassung von 1769 in einer Neuinszenierung von Christof Loy. John Neumeiers Fähigkeit, Oper und Ballett in einer ebenso musikalischen wie intelligenten und fesselnden Weise zu verbinden, ermunterte mich, ihn und das Hamburg Ballett mit einer choreografierten Version von Orphée et Euridice – Glucks Pariser Fassung von 1774 – nach Salzburg einzuladen.

Eine Orpheus Oper, die mir seit langem am Herzen liegt, ist Joseph Haydns L’anima del filosofo. Monteverdis Ur-Oper L’Orfeo schließlich werden wir in Zusammenarbeit mit der seit 200 Jahren bestehenden Mailänder Marionettenkompanie Carlo Colla & Figli in ungewöhnlicher Gestalt präsentieren.

Wie kam es zur Idee, die Pfingstfestspiele mit einer Hommage an Daniel Barenboim ausklingen zu lassen, und was macht Ihr besonderes künstlerisches Verhältnis zu ihm aus?

Als ich mir über die Kraft einer Stimme Gedanken machte, die uns nicht nur im Konzertsaal zu bewegen vermag, sondern auch in unserem Leben abseits der Bühne – wo wir einem ständig wachsenden Ausmaß von Leid und Konflikt begegnen –, dachte ich sofort an Daniel Barenboim, der kürzlich seinen 80. Geburtstag beging. Ich bin ihm für immer dankbar, dass er mich in der Frühzeit meiner Karriere entdeckte und beriet und mir seit nunmehr 35 Jahren als unendlich inspirierender musikalischer Partner und treuer Freund erhalten geblieben ist.

Bei meinen Planungen für 2023 schwebte mir ursprünglich ein Festival vor, in dem Daniel zu Ehren seines 80. Geburtstages aktiv als Dirigent und Musiker mitwirken sollte. Damit wollte ich meine Bewunderung für seine leidenschaftliche und unermüdliche, in seinen Worten und in seinem Musizieren greifbare Stimme zum Ausdruck bringen, die er immer wieder so furchtlos gegen den allgemeinen Strom erhebt und die das Leben so vieler Menschen verändert hat. Ich will ihm einen ganzen Tag der Pfingstfestspiele 2023 widmen: mit einer Schubertiade, die er gemeinsam mit mir und Martha Argerich gestalten wird, und einer abendlichen Benefizgala, die eine Schar seiner engsten Freunde und Künstlerkollegen vereint.

So wie in der Geschichte von Orpheus haben Daniels Stimme und – nicht weniger wichtig – seine Musik die Kraft, uns im Innersten zu berühren, zutiefst zu bewegen, außerordentlich zu inspirieren und nachhaltige Änderungen zuwege zu bringen, die die meisten von uns für unmöglich gehalten haben.

[Quelle: Salzburger Festspiele, 30. Dezember 2022]

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